Title: Role-Playing
Engel spielt in der Zukunft. Es begab sich, daß die Erwachsenen ein Gräuel waren in des Herren Angesicht. Oder jedenfalls steht das zu vermuten, da alle Erwachsenen durch verschiedene apokalyptisch anmutende Zeichen resp. Plagen weggefegt werden vom Antlitz der Erde. Mehrmals. Die Kinder haben natürlich Ahnung von nichts und müssen trotzdem eine neue Kultur aufbauen. Die Welt fällt zurück in ein neues Mittelalter. Die Kirche erstarkt. An den Polen entstehen riesige Feuersäulen, Zeichen des Herrn, die Fanale. Die Polkappen schmelzen, das Klima kippt, halb Deutschland steht unter Wasser, die andere Hälfte baut Reis an.
Schließlich beginnen die Fanale sich zu bewegen, und wo sie über das Land wandern, hinterlassen sie kilometerbreite Schneisen des Brandlandes, einen Vorhang ewigen Qualms, aus dem das Gezücht des Herrn der Fliegen dringt, ekle Kreaturen, die den Kinder des Herrn übel mitspielen.
Doch der Herr hat der Kirche in seiner unendlichen Weisheit und Güte Helfer zur Seite gestellt im Kampf gegen die Kreaturen des Satans: die Engel!
Eine Engelsschar (Abenteuergruppe) erhält ihre Aufträge im "Himmel" (umgerüstete Wolkenkratzer, von denen nach der Katastrophe noch wenige übrig sind) von der Kirche. Eine Schar besteht meist aus fünf Engeln, von jedem Orden einer. Gemeinsam sind sie fast unschlagbar, in ihren Fähigkeiten aber so auf einander angewiesen, daß ein einzelner Engel fast hilflos ist. Verbunden sind sie durch ihren Glauben (jedenfalls anfangs...) und ihren Auftrag; auseinander treiben sie dabei die geheimen Pläne des jeweils eigenen Ordens, die Angst vor dem auch Engelsherzen zersetzenden Einfluss des Herrn der Fliegen, und die heimliche Ahnung, daß vielleicht nicht alles ist, wie es scheint...

Engel ist ein exzellentes Spiel aus Deutschland mit einer umfassenden Produktlinie; Comic, CD, und Romane sind neben dem Hauptregelwerk und den Ordens- und Monsterbüchern im Angebot; zum Spiel benötigt man davon lediglich das Hauptregelwerk, wegen des Hintergrundes. Engel kann man wie das neue D&D nach den "D20"-Regeln spielen, allerdings ist mir niemand persönlich bekannt, der das tut (oder auch nur versucht hätte). Der eigentliche Clou ist nämlich das ebenfalls im Hauptregelwerk vorhandene "Arkana"-Regelwerk, das mit unerhört wenigen Regeln auskommt, Würfel durch Tarot-ähnliche Karten ersetzt, und generell den Spielenden einen Vertrauensvorschuß geben: einfach gesagt zieht man eine Karte, und wenn einem einfällt wie die zur anstehenden Entscheidung passt, dann beschreibt man das, und es passiert so. Dabei kann man die Karte richtig rum (es passiert eher was gutes) oder falschrum (eher was schlechtes) erwischen -- komplizierter wird's nicht mehr. Würfel und Zahlenwerte findet man in Arkana nicht -- die meisten vermissen sie sowenig, dass sie nicht mal suchen gehen.
Insgesamt ein prima Spiel, das vom setting her ("Wir sind im Mittelalter, finden aber immer mal wieder Relikte wie kaputte Sonnenbrillen, alte Fanta-Flaschen, oder so komische explodierende Ananasse") immer ein wenig an die alte "dreibeinige Herrscher" Serie gemahnt, und ansonsten viel Gelegenheit gibt zum Erzählen und dazu, in nur einem Tag vom himmlischen Boten zum Ketzer zu werden.
Was das für fünf Engelsorden sind, was passiert, wenn Bauern Sturmgewehre finden oder der Reis knapp wird, wo die kleinen Engel herkommen und was der Preis für's Versagen ist...? Das alles und noch viel mehr: bei den Ketzern!